Das große Zarenreich
Goldene Kuppeln, der größte und schönste Strom Europas und das Naturwunder Baikalsee, eine unvorstellbar herzliche Gastfreundschaft, Kunstschätze von unermeßlichem Wert, weltweit berühmte architektonische Schmuckstücke - nur ein Paar Kennzeichen eines bislang vom westlichen Tourismus nahezu unentdeckten Landes voller Gegensätze und Impressionen. Der Vielvölkerstaat der Russischen Föderation vereinigt die verschiedensten Kulturen unter seinem Weiss-Blau-Roten Banner. Voller Gegensätze und Widersprüche präsentiert sich dadurch auch das Land - mal märchenhaft, mal schaurig, dann wieder fröhlich oder besinnlich, aber immer durchtränkt von der bewegten und abwechslungsreichen russischen Geschichte.
Fläche: 17.075.200 km²
Einwohner: ca. 143 Millionen
Hauptstadt: Moskau
Amtssprachen: Russisch
Währung: Rubel
Zeit: 11 Zeitzonen: MEZ +1 (West) bis +11 Std. (Ost)
Die Russische Föderation ist das größte Land der Welt und reicht von Moskau im Westen über den Ural und die Sibirische Steppe zum Ochotskischen Meer und Beringmeer im Osten. Sie lässt sich in fünf Großlandschaften auffächern: Osteuropäisches Tiefland, das sich von Russlands Westgrenzen bis zum Ural ausdehnt; Ural; Westsibirisches Tiefland, das zwischen dem Ural und dem Jenissej liegt; Mittelsibirisches Bergland, das sich zwischen den Flüssen Jenissej und Lena ausbreitet und Ostsibirisches Bergland. Die Grenze zwischen dem europäischen Russland und Sibirien (Asien) liegt am Uralgebirge, beim Fluss Ural und der Tiefebene von Manych. Das europäische Russland erstreckt sich vom Nordpolarmeer über Zentralrussland zum Schwarzen Meer, dem Kaukasus und dem Kaspischen Meer. Der größte Teil der Russischen Föderation liegt jedoch in Asien. Vor der Küste liegen die zerklüfteten, rauen Inseln von Sewernaja Semlja. Nordöstlich des Ostsajan-Gebirges liegt der mit 1620 m tiefste Binnensee der Erde - der Baikalsee.
Mit seiner riesigen Fläche erstreckt sich Russland über mehrere Klimazonen, von den südrussischen Steppenklimaten über die kühlgemässigte und die kaltgemässigt-boreale Zone bis zu den subpolaren und polaren Klimaten des hohen Nordens. Die Winter sind lang und kalt, die Sommer kurz und verhältnismässig kühl. Während des Winters ist das Nordpolarmeer bis zur Küste hin zugefroren. Die zentralasiatischen Gebirge entlang der Südgrenze Russlands verhindern weitgehend das Eindringen maritimer, tropischer Luftmassen. Weil das Land im Westwindgürtel liegt, reichen die ausgleichenden Einflüsse des Pazifiks nicht weit ins Landesinnere. Dies gilt insbesondere für den Winter, wenn sich eine kaltluftführende Hochdruckzelle, deren Zentrum über der Mongolei liegt, über weite Teile Sibiriens und das fernöstliche Russland ausdehnt.
Von den Karpaten zogen Urslawen im 1. Jahrtausend v. Chr. an den Dnjepr und behaupteten sich gegen die nördlichen Steppenvölker. Am Handelsweg von der Ostsee zum Schwarzen Meer entstand im 9. Jahrhundert die Kiewer Rus. Seit 988 christianisiert, entwickelte sich das Kiewer Reich zum geographisch größten Staat Europas. Mit dessen Untergang im Mongolensturm 1240 trennte sich die Geschichte der drei slawischen Völker (Ukrainer, Russen, Belorussen). Das Fürstentum Moskau besiegte die Tataren der Goldenen Horde 1380 und einigte im 15. und 16. Jahrhundert die russischen Kernlande und unterwarf sich auch brutal Nowgorod. 1547 ließ sich Iwan IV. (der Schreckliche) zum ersten "Zaren der ganzen Rus" krönen. Er verstand Moskau als das "Dritte Rom" (das zweite war Konstantinopel) und mit ihm begann die 400 Jahre anhaltende Expansion des Reiches. Unter seinen Nachfolgern expandierte Russland bis weit in die heutige Ukraine. Die "Europäisierung" wurde unter Peter I. (dem Großen) spürbar vorangetrieben, begleitet von andauernden Kriegen gegen das Osmanische Reich und Schweden. Mit dem Sieg über Schweden 1709 sicherte Peter I. Russlands Einfluss im Ostseeraum und errang die Stellung einer europäischen Großmacht. Im 18. Jahrhundert sicherte Katharina II. (die Große) nach zwei erfolgreichen Türkenkriegen Russlands Präsenz an der Schwarzmeerküste und setzte auch ihre territorialen Ziele gegen Polen durch. Zar Alexander II. (1855 - 1881) hob 1861 die Leibeigenschaft auf und führte öffentliche Gerichtsverhandlungen (Glasnost) mit unabhängigen Richtern ein. Russland dehnte sich bis an die heutige Grenze zu China aus, auch an die Grenzen Persiens und vergrößerte seine Einflusssphäre nach dem Russisch-Türkischen Krieg von 1877 bis 1878 um Serbien, Montenegro und Bulgarien. Russlands Ambitionen im Fernen Osten führten 1904/05 zum Krieg mit Japan, der verloren ging. Der Feldzug hatte auch von den innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken sollen: Landhunger der Bauern, Verlangen der Intelligenz nach einer liberalen Verfassung, Mobilisierung des Industrieproletariats. Auf die Revolution von 1905 mit den landesweiten Entstehen von Arbeiterräten (Sowjets) reagierte Zar Nikolai II. (1894 - 1917) mit der Wahl einer Duma (Parlament), der rascheren Industrialisierung und einer Agrarreform. Die überstürzte und miserabel geplante Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg führte bereits nach zwei Jahren in eine Versorgungskrise, welche die Februarrevolution von 1917 auslöste. Im März musste Nikolaus II. abdanken, am 17. Juli 1918 wurde er mit seiner Familie in Jekaterinburg von Kommunisten exekutiert. Eine Provisorische Regierung führte den ungewollten Krieg weiter. Mit dem Versprechen auf Frieden, Land und Selbstbestimmung für die vielen Nationalitäten des "Völker-Gefängnisses" Russland riefen Lenin und Trotzki nach einem Putsch in St. Petersburg die Arbeiterräte als Staatsgewalt aus (Oktoberrevolution 1917) und schlossen im März 1918 mit den Deutschen Frieden. Mit der Doktrin einer "Diktatur des Proletariats", die er als Diktatur der Kommunistischen Partei verstand, unterdrückte Lenin jegliche Opposition, nachdem seine Hoffnung auf eine Revolution im Westen und entsprechende Hilfe sich als Illusion erwiesen. Von 1918 an übte er den "Roten Terror". Im Dezember 1922 wurde die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) gegründet, die formal den Nationalitäten Selbstbestimmung zusprach und für den Beitritt anderer Staaten Europas und Asiens offen sein sollte. Nach Lenins Tod 1924 gewann Stalin die unbeschränkte Alleinherrschaft durch die physische Vernichtung der revolutionären Avantgarde Lenins. Der Terror in den Jahren 1936 bis 1938 kostete über eine Millionen Menschen das Leben. Binnen zehn Jahren wollte Stalin die Sowjetunion industrialisieren, um gegen jeden neuen Krieg gewappnet zu sein. Die Arbeitskräfte holte er vom Lande durch eine gewaltsame "Kollektivierung" der Landwirtschaft, die eine Hungersnot mit etwa 6 Millionen Toten allein in der Ukraine zur Folge hatte. Den deutschen Überfall vom 22. Juni 1941 mit anfänglichen Blitzkriegserfolgen schlug nach der Schlacht von Stalingrad um die Jahreswende 1942/43 die Rote Armee zurück - bis zur bedingungslosen Kapitulation der Deutschen in Berlin am 8. Mai 1945. Seit 1949 zählte die neu Supermacht auch zu den Atommächten. Die provozierende Außenpolitik führte zum Kalten Krieg mit dem Westen. Erst nach Stalins Tod 1953 begann unter Nikita Chruschtschow eine Politik der Entstalinisierung und begrenzten Kooperation. Die sowjetisch-amerikanischen Beziehungen wurden trotz der Berlin-Frage und der Kuba-Krise 1962 weiterentwickelt. Nach Chruschtschows Sturz 1964 unterdrückte Breshnew mit militärischen Mitteln jegliche Souveränitätsbestrebungen in den Satellitenstaaten. Der spürbare Rückgang des Wirtschaftswachstums und zunehmende gesellschaftliche Stagnation führten zu massenhafter Arbeitsunlust und ließen eine Dissidentenbewegung entstehen, aus der die Partei erst 1985 mit der Wahl Michael Gorbatschows zum Generalsekretär Folgerungen zog: ein Wende- und Erneuerungskurs unter den Schlagworten "Perestroika" (Umbau) und "Glasnost" (Transparenz). Die Absage an Hegemonieansprüchen bot Spielraum für den Umbruch in Mittel- und Osteuropa. Nach der Wahl Boris Jelzins zum Präsidenten Russlands im Juni 1991 und dem Putsch gegen Gorbatschow im August 1991 gründete Russland, Belorussland und die Ukraine den Staatenbund GUS, dem sich alle übrigen ehemaligen Sowjetrepubliken bis auf die drei baltischen Staaten anschlossen. Mit dem Rücktritt Gorbatschows endete die Existenz der UdSSR am 26. Dezember 1991.
Die Russische Föderation hat die leistungsfähigste Wirtschaft der GUS und die russische Wirtschaftspolitik hat darüber hinaus Vorreiterfunktion für die anderen GUS-Republiken. In weiten Bereichen der russischen Wirtschaft ist der Übergang zur Marktwirtschaft bereits vollzogen. Das gilt insbesondere im Bereich des Groß- und Einzelhandels, im Bausektor sowie weitgehend im Dienstleistungssektor. Petroleum und Erdgas sind die wichtigsten Exportgüter, obendrein ist das Land außerordentlich reich an Bodenschätzen aller Art und besitzt fruchtbare Böden und ausgedehnte Wälder. Die Beseitigung bestehender Strukturprobleme, eine Verstetigung der wirtschaftlichen Entwicklung und die Herstellung von marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für ein nachhaltigeres, von der Entwicklung auf den internationalen Rohstoffmärkten unabhängigeres Wirtschaftswachstum und ein verbessertes Investitionsklima bleiben erklärte Ziele der Regierung. 1998 wurde die Russische Föderation schließlich Mitglied der acht führenden Industrienationen der Welt (G-8 Länder). Der Haupthandelspartner ist die Bundesrepublik Deutschland.
Russland ist nach wie vor eine (angeschlagene) Weltmacht mit einem großen militärischen und industriellem Potential. Andererseits ist der Lebenstandard großer Teile der Bevölkerung in den letzten Jahren auf das Niveau der fünfziger Jahre zurückgefallen. Gesundheitsindikatoren haben sich zum Teil dramatisch verschlechtert, Suchtprobleme, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, nehmen zu. Einem Bericht des British Medical Journal zu Folge rauchen 30% aller Kinder in den großen Städten und 40 % der Schulkinder trinken regelmässig Alkohol. Die russische Kultur gehört zu den größten Europas. Musik, Literatur und bildende Kunst sind einzigartig und spiegeln in unterschiedlichen Ausdrucksformen die starken und abwechslungsreichen Facetten der oft melancholischen, tiefen "russischen Seele" wider. Insbesondere Moskau und St. Petersburg bergen unermessliche Kunstschätze. Hinsichtlich der ethnischen Zusammensetzung der mehr als 147 Millionen Einwohner Rußlands fällt eine bemerkenswerte Vielfalt ins Auge. Trotz einer Mehrheit russischen Ursprungs leben mehr als 150 verschiedene Nationalitäten zusammen. In Russland gibt es hauptsächlich christliche Religionen, wobei die russisch-orthodoxe Kirche die größte Glaubensgemeinschaft ist. Außerdem gibt es muslimische, buddhistische und jüdische Minderheiten.
In den nördlichen Küstengebieten bestimmt die Tundra mit ihrem Moosen, Flechten und Gräsern das Landschaftsbild. Weiter südlich geht sie dann in die ausgedehnten Waldgebiete der Taiga über. Zwischen Tundra und Taiga bedecken vor allem Lärchen- im Osten und Buchen- und Fichtenwälder im Westen das Land. In den zentralen Teilen der Osteuropäischen Tiefebene und in großen Teilen Südostrusslands bestehen die Waldgebiete vor allem aus Mischwald. Die südlichen Teile des Osteuropäischen Tieflands und des Westsibirischen Berglands nehmen Waldsteppen ein. Die russische Nordküste ist der ideale Lebensraum für Polarbären, Robben, Walrosse und Seevögel. In der Tundra sind Polarfüchse, Eulen, Schneehasen und Lemminge beheimatet. In den Sommermonaten wandern von Süden her Rentierherden und Wölfe ein. In den Wäldern ist die Tierwelt noch vielfältiger: in der nördlichen Taiga sind Elche, Rentiere, Wölfe, Bären, Zobel, Eichhörnchen, Fuchs und Vielfraß vertreten. In den südlicheren Wäldern leben Wildschweine, Nerze und Hirsche. In der fernöstlichen Region Primorski kommen die seltenen Ussuritiger vor. Die Steppen bieten Steppenlemmingen und -murmeltieren, Hamstern, dem Ziesel sowie dem Iltis und Steppenfuchs Lebensraum. Zur Vogelwelt gehören u.a. die Falken, Kraniche und Adler. Im Kaukasus trifft man auf viele mediterrane Tierarten, darunter Reptilien, Echsen und Luchse.
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